Blog-Layout

Baumschnittkurs in Ebelsbach: Kein Paradies ohne Pflege

Sebastian Schulz • Mai 02, 2024

Nirgends kann man den Frühling intensiver erleben als auf einer blühenden Streuobstwiese. Ein wogendes Blütenmeer, das erste Summen fleißiger Bienen und der berauschende honigsüße Duft, in dem schon die fruchtige Verheißung künftiger Genüsse mitschwingt.

Wer unter den blühenden Baumkronen von Kirschen, Zwetschgen, Birnen und Äpfeln wandelt, erlebt pures Glück. Jahrhundertelang prägten alte Streuobstwiesen Bayerns Kulturlandschaft, vor allem in Frankens kleinteiliger Landwirtschaft fanden sie viel Raum. Doch auch hier fiel seit den 1960er-Jahren fast jeder zweite Obstbaum dem Strukturwandel in Landwirtschaft und Siedlungsbau zum Opfer.

In den Haßbergen sind noch viele dieser wertvollen Lebensräume erhalten geblieben, doch auch hier verlieren sie kontinuierlich an Boden. Bis jetzt hat noch jeder Ort seinen Obstbaumgürtel. Flöge man im Frühling über die Landschaften hinweg, sähen sie aus wie Spitzenkrägen, die sich dekorativ um die Dörfer schmiegen.

 

Streuobst braucht Schnittpflege   

Damit das so bleibt, engagieren sich Lukas Bandorf, Geschäftsführer des Naturparks Haßberge, und sein Team in vielfältigen Projekten. Ende Februar etwa boten sie in Ebelsbach Obstbaumbesitzern die Möglichkeit, die Grundlagen des Baumschnitts zu erlernen. Der kostenlose Kurs war schnell ausgebucht, ist von Bandorf vor Ort zu erfahren. Auf einer mittelgroßen Streuobstwiese im Wald soll angewendet werden, was am Vormittag im Theorieteil gelernt wurde. Michael Specht von Schlaraffenburger, einem Aschaffenburger Naturschutzprojekt, erklärt an einem Apfelbaum, wie bei einer nachträglichen Erziehung eines ungepflegten Baumes vorzugehen ist. Hoch aufmerksam haben 25 angehende Baumschneider einen Kreis um ihn gebildet. Specht beurteilt den Bestand. „Hier ist schon einiges schiefgelaufen, alle Äste zu flach.“

Schnell wird klar: Allein mit dem Anpflanzen neuer Obstbäume ist es nicht getan. Wenn die Pflege, sprich der regelmäßige Schnitt der Hochstämme ausbleibt, kümmern sie und gehen ein. Die meisten der Bäume dieser Wiese wurden vor 20 Jahren gepflanzt, anfangs gut in Schuss gehalten, aber seit einigen Jahren vernachlässigt. Streuobstwiesen sind Paradiese aus Menschenhand – und bleiben quasi lebenslang auf die Hand des Menschen angewiesen.

Arbeit, die sich unbedingt lohnt, denn diese Paradiese bieten einen hohen Erholungswert und eine Fülle einzigartiger, gesunder Geschmackserlebnisse. Sie bergen eine bombastische Auswahl alter, robuster Obstsorten. Jede davon hat ihren eigenen und sehr aromatischen Geschmack - von süß-säuerlich über würzig bis hin zu ausgefallenen Noten wie Rose oder Marzipan. Die Ebelsbacher Wiese hat etwa so wohlklingende Sorten wie Winterrambur, Champagner-Renette oder Brettacher Gewürzapfel zu bieten.   

 

Leitäste und Baumansprachen

Doch der Reichtum von Streuobstwiesen geht weit über den Genussaspekt hinaus. Ein Mosaik aus ineinandergreifenden Habitaten macht sie zu einem Hotspot der Biodiversität. Rund 5.000 Arten finden hier ihre Nische, darunter etliche, die auf der Roten Liste stehen wie der Steinkauz oder das Große Mausohr. Außerdem bieten Bäume und naturnahe Wiese Insekten reiche Blütenweide.

Ende Februar ist von diesen Bewohnern noch nicht viel zu sehen, also volle Konzentration auf die noch kahlen Äste. „Wir brauchen drei bis vier Leitäste und stellen uns dazu die Frage: Wie soll der Baum stehen“, erklärt der Kursleiter in nachmittägliches Sonnenlicht getaucht. Er sucht nach Ästen, die im 120-Grad-Winkel emporwachsen, und wird nicht so schnell fündig. „Sie sehen schon, man muss kreativer werden, als wenn man eine Bilderbuchvariante vor sich hätte.“

Specht stellt die Baumleiter in die Krone und fragt: „Was machen wir mit der Mitte?“ Ein unscheinbar kleiner Ast wird erwählt und ein anderer ausgeschnitten, um ihn zu fördern. Die Umstehenden lernen daraus: „Der erste Schnitt ist die Referenz für alles andere.“ Der Profi steht inzwischen mit weit gespreizten Beinen auf zwei Ästen. „Super Micha, Showeinlage!“, kommentiert Bauhofleiter Norbert Schmucker den waghalsigen Stand, während Specht einen seiner Grundsätze ausspricht: „Es ist immer wichtiger, was ich drin lasse als das, was ich wegschneide.“ In dem Fall bleibt ein Ast zur Beschattung des Leitastes, um ihn vor zu starker Besonnung zu schützen. „Ihr seht, es ist ein Prozess. So tastet man sich sukzessive an die angestrebte Form ran.“

 

Hoch motiviert

Jetzt sind die Teilnehmer in Gruppenarbeit dran: „Sucht euch einen Baum aus, macht eine Baumansprache und erzählt mir dann euer Ergebnis.“ Am kleinsten Baum mühen sich vier Teilnehmer ab, eine Form herauszuschälen. Was sie beherzt wegschneiden, sind die „Mumien vom letzten Jahr, da gehen sonst Krankheiten rein“, wie einer erklärt. Erfahrung mit vernachlässigten Obstbäumen hat auch sein Kurskollege: „Ich hab‘ eine Streuobstwiese bei Haßfurt geerbt, an der jahrelang nichts gemacht worden ist.“ Der älteste Baum sei 60 Jahre alt, in der Mitte hohl und vom letzten Sturm gebeutelt. „Ich will ihn retten, er hat sehr gute Äpfel“, erklärt er seine feste Absicht, das Gelernte anzuwenden. Auch die anderen sind hoch motiviert. Bauhofleiter Schmucker hat die Leiter erklommen, um eine Champagner Renette in Form zu bringen. Am nächsten Baum begutachtet sein Kollege Florian Obergruber zufrieden die ersten Schnittaktionen: „Da hätten wir auch eine Superspitze.“ Fünf Naturparkmitarbeiter nehmen am Kurs teil. Sie werden die Pflege der Streuobstprojekte des Naturparks in die Hand nehmen, etwa der Neupflanzungen von 100 Bäumen im Raum Aidhausen, Königsberg und Baunach sowie der jüngst hinzugekommenen 37 Bäume in Happertshausen, inklusive der Lokalsorte „Happertshäuser Birne“.

Die Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Streuobstwiesen werden durch verschiedene staatliche Programme gefördert, etwa durch "Streuobst für alle!" (Amt für Ländliche Entwicklung) oder durch das Kulturlandschaftsprogramm „Pflege von Streuobstbäumen“. In den Ebelsbacher Schnittkurs flossen Gelder des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen des Bayerischen Streuobstpaktes. Eine Investition, die viele Früchte tragen wird. 

       

Sabine Haubner

Foto: Lukas Bandorf

von Sebastian Schulz 02 Mai, 2024
Nirgends kann man den Frühling intensiver erleben als auf einer blühenden Streuobstwiese. Ein wogendes Blütenmeer, das erste Summen fleißiger Bienen und der berauschende honigsüße Duft, in dem schon die fruchtige Verheißung künftiger Genüsse mitschwingt.
von Sebastian Schulz 08 Apr., 2024
Haßberge Tourismus e.V. bietet im April 2024 zwei Workshops für Tourismusschaffende der Region zum Thema Social Media für Einsteiger und Fortgeschrittene an.
von Sebastian Schulz 04 Apr., 2024
„Heute haben wir einen wunderbaren Blick“, freut sich Norbert Schmucker und lässt ihn schweifen - über die Haßbergkuppen, in die ferne Rhön und bis zu den Thüringer Gleichbergen.
von Sebastian Schulz 26 März, 2024
Auf zahlreichen Stellplätzen im Naturpark Haßberge lautet das Motto: Natur pur! Genau wie auf der neuen “Bulli-Wiese” in Sulzfeld, wo Parzellen und Beschränkungen keine Rolle spielen.
von Sebastian Schulz 14 März, 2024
Der Frühling hält Einzug in den Haßbergen und damit stehen auch die Osterferien vor der Tür. Die perfekte Zeit, um eine Verschnaufpause vom Alltag zu nehmen und gemeinsam als Familie etwas zu erleben.
von Sebastian Schulz 09 März, 2024
Der Naturpark Haßberge wird 50 und feiert am 28. April in der Altstadt von Ebern ein halbes Jahrhundert erfolgreichen Einsatz für den Erhalt einer faszinierenden Kulturlandschaft.
von Sebastian Schulz 27 Feb., 2024
2024 darf gefeiert werden. Zum einen begeht der Naturpark Haßberge seinen 50. Geburtstag. Dieser wird Ende April auf dem Eberner Marktplatz gefeiert. Zum anderen erhielt Bad Königshofen vor genau 50 Jahren seinen Titel als „Heilbad“. Dieses Jubiläum wird mit einem Festwochenende im Juli gewürdigt, bei welchem auch die neue Trinkkur- und Wandelhalle eingeweiht werden soll. Die Eröffnung des Heilwassersees steht wieder für den 1. Mai im Kalender.
von Sebastian Schulz 09 Feb., 2024
Walter Röhrl besucht die ABENTEUER & ALLRAD 2024 – DIE Rallye-Legende wird im Rahmen einer Gesprächsrunde aus seinem Leben erzählen!
von Sebastian Schulz 30 Jan., 2024
Der Naturpark Haßberge ist landschaftlich ein Juwel, der von seiner beeindruckenden Vielfalt an Streuobstwiesen profitiert. Inmitten dieser natürlichen Schönheit lädt der Naturpark alle Natur- und Obstliebhaber dazu ein, die faszinierende Welt der Streuobstbäume zu erkunden und mehr über ihre ökologische Bedeutung zu erfahren, wie etwa am „NaTour“ Erlebnispfad in Königsberg.
von Sebastian Schulz 19 Jan., 2024
Mit einer Teilnahme an der CMT Stuttgart, der weltweit größten Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit und traditionell ersten Messe des Jahres, beginnt auch für Haßberge Tourismus e.V. die Saison 2024.
Weitere Beiträge
Share by: